Verkehrswacht fordert Senkung der Promillegrenze für Radfahrer

Datum 11.08.2015 16:55 | Thema: 

Neue Promillegrenze für Radfahrer

Problem

Während die Verkehrsunfälle mit Personenschäden unter Beteiligung alkoholisierter Kraftfahrzeugführer seit Jahren kontinuierlich rückgängig sind, stiegen die Verkehrsunfälle mit Personenschäden unter Beteiligung alkoholisierter Radfahrer seit dem Jahr 2010 von 3.489 auf 3.726 Verkehrsunfälle im Jahr 2012 an. Das Fahrrad gilt bei Alkoholkonsum vielen Verkehrsteilnehmern als ungefährliche Alternative zum Auto, dabei ist es inzwischen zu einer ganz eigenen Gefahrenquelle geworden.


Immer wieder fallen alkoholisierte Radfahrer auch im Rahmen von polizeilichen Verkehrskontrollen auf. Sie können aber aufgrund der geltenden Rechtslage erst bei einer mittels Blutprobe nachgewiesenen Alkoholbeeinflussung von 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration (BAK) strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Unterhalb dieser Grenze bedarf es deutlich sichtbarer Beweisanzeichen für die alkoholisch bedingte Herabsetzung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die aus vielerlei Gründen oft verborgen bleiben, sodass die im Interesse der Verkehrssicherheit sinnvollen Sanktionen unterbleiben. Dieser Straftatbestand der Trunkenheit im Straßenverkehr zeigt demnach keine abschreckende Wirkung mehr. Auf der anderen Seite existiert für Radfahrer keine Bestimmung im Straßenverkehrsgesetz, nach der es möglich wäre, ab einem bestimmen Blutalkoholgehalt die Trunkenheitsfahrt als Ordnungswidrigkeit zu ahnden.

Stand der Wissenschaft

Im Wesentlichen wurde die angesprochene Problematik in der Verkehrspolitik vor dem Hintergrund diskutiert, ob die durch die Rechtsprechung gesetzte Promillegrenze von 1,6 Promille BAK für alkoholisierte Radfahrer geändert oder dezidiert ein eigener Straftatbestand im Strafgesetzbuch geschaffen werden sollte. Die Konferenz der Innenminister forderte ebenfalls die Überprüfung der Promillegrenzen für Radfahrer.

Die Diskussion steht inzwischen unter dem Eindruck neuer Forschungsergebnisse. Studien der Universitäten in Düsseldorf und Mainz untersuchten die körperlichen Leistungsausfälle alkoholisierter Radfahrer. In beiden Versuchsreihen wurden sowohl im nüchternen als auch im alkoholisierten Zustand Fahrversuche durchgeführt und ärztlich begleitet. Die Ergebnisse beider Studien wurden anlässlich eines Symposiums des Bundes gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr (BADS) im Juni 2014 in Leipzig vorgestellt. Das von der Unfallforschung der Versicherer (UDV) bei der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf in Auftrag gegebene Gutachten ergab einen signifikanten Anstieg der Leistungsausfälle in drei Stufen ab 0,5, ab 1,1 und noch einmal ab 1,6 Promille BAK.

Bei der zweiten Studie des Instituts für Rechtsmedizin an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz waren die beiden ersten Gefahrenstufen deckungsgleich mit den Düsseldorfer Ergebnissen, während der dritte Anstieg des Sicherheitsrisikos bei 1,5 Promille BAK zu verzeichnen war. In beiden Studien waren allerdings auch oberhalb von 1,6 Promille BAK noch einige Radfahrer in der Lage, ihr Fahrzeug sicher zu führen.

Eine Änderung der Rechtsprechungspraxis in Richtung einer Kriminalisierung sämtlicher alkoholisierter Radfahrer bereits ab einem Grenzwert von 1,1 Promille BAK kommt nach den übereistimmenden Forschungsergebnissen damit nicht mehr in Betracht. Um die von den Gerichten angenommene Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit abzusenken, hätten bereits unterhalb von 1,6 Promille BAK nahezu alle Probanden am sicheren Führen ihrer Fahrräder scheitern müssen. Nach den Forschungsergebnissen ist sogar im Gegenteil zu befürchten, dass die gängige Rechtsprechung zur absoluten Fahruntüchtigkeit von Radfahrern, die sich auf Gutachten aus den Jahren 1980 und 1984 stützt, keinen Bestand hat.

Deshalb

Der Gesetzgeber kann und soll gefahrenabwehrend tätig werden um zu erreichen, dass Radfahrer auf den Genuss größerer Alkoholmengen verzichten.

Die Deutsche Verkehrswacht spricht sich daher dafür aus, für alkoholisierte Radfahrer den Tatbestand einer Verkehrsordnungswidrigkeit im Straßenverkehrsgesetz einzuführen. Sie schlägt vor, darin die Promillegrenze von 1,1 Promille Alkoholkonzentration im Blut bzw. 0,55 mg/l Alkohol in der Atemluft festzuschreiben. Die Höhe der Sanktion sollte dabei an den Regelsatz des Alkoholverbots für Fahranfänger angepasst werden. Ein eigenständiger Straftatbestand für Radfahrer erscheint dem gegenüber nicht erforderlich, weil eine bedeutende Ordnungswidrigkeit im Bußgeldbereich denselben präventiven Zweck erfüllt.

Die neue Gesetzgebung soll durch flankierende Öffentlichkeitsarbeit der Träger staatlicher und staatlich geförderter Verkehrssicherheitsarbeit im Bewusstsein der Bevölkerung verankert werden.

Quelle: Deutsche Verkehrswacht





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